Dienstag, 18. Dezember 2012

Revival nach Weimar

Eine bemerkenswerte Abhandlung über die komplexen Zusammenhänge bundesdeutscher Politik, fand sich in einer Ausgabe des Freitag aus dem vergangenen Mai. In dem Artikel "Schein und Sein" zu lesen, eine ausführliche Diskussion des Demokratie Begriffes im deutschen Kontext, am Schwerpunkt der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, noch genauer: der bundesdeutschen Geschichte. Am Aufhänger des Nationalfeiertags beginnt Wolfgang Wippermann die Erörterung der für ihn frappanten Widersprüchlichkeit des deutschen Staatsmodells.

So wundert er sich:

Der 23. Mai ist kein staatlicher Feiertag.

Nach der Wiedervereinigung dauerte es nicht lange, der Nationalfeiertag auf den dritten Oktober umdisponiert wurde, so als ob der Fall der Mauer für beide Seiten Deutschlands das non plus ultra an Feieranlaß war. Es kann ohne Frage nur richtig sein, darauf hinzuweisen, die Rechtschaffenheit der Bundesrepublik seit gut anderthalb Jahrzehnten in durchaus zweifelhaften Ruf geraten ist. Da ist es nur allzu verständlich, grosser Anstoss daran zu nehmen wäre, nun ausgerechnet ihren Gründungstag mit den üblichen deutsch-nationalen Saufgelagen zu begehen. Schliesslich war es zuvorderst das was die Wiedervereinigung auslöste, Rotkäppchensekt und Radeberger in Fressipaketen für die reichen Onkel im Imperialismus, Warsteiner und anderes im Austausch für den Aufbau Ost. Das war anders, als es die DDR noch gar nicht gab.

Der westdeutsche Staat hat sich von Anfang an als „wehrhafte Demokratie“ verstanden.

Wehret den Anfängen und wo sie sich zeigen. Ein Terminus der suspekt erscheint, dies muss, und umso mehr, wenn man beschaut, was in dem von Anfang an los war. Berufsverbote in den Siebzigern, Terrorabwehr linksaussen oppositioneller zu Zwecken der Wiedervereinigungsvorbereitung, und als die fällig, kam raus, wer weiter Amt und Würden - auf beiden Seiten der Mauer - geistig leider innehatte. Natürlich war es dringend nötig Abwehrmechanismen gegen das zu entwickeln, das in etwa um 33 endgültig ausbrach, an dessen Ausmerzung zur Zeit der Gründung der BRD noch gar nicht zu denken war. Erst bräuchte es den Zusammenschluß des ganzen Landes, zu gegebener Zeit und selbst dann erst, so es einer der allierten Siegermächte gelungen war den richtigen Part des Quadranten darauf geschult zu haben, wie Entnazifizierung mal gebraucht wird. In den 1950er Jahren war nichts ferner als das, zu viel schaufelten die wahrhaft dazu gehört hatten, gegen die man sich wehren sollte, rüber in neuzeitliche Nachrichten.

Autor Wippermann zieht den deutschen Soziologen Karl Loewenstein heran, der laut seiner Überlieferungen maßgeblichen Einfluß auf die Struktur der BRD hatte, bzw wie sie sich zu Beginn darstellte. In diesem Sinne liegt der Schwerpunkt stets auf Verteidigung. Verteidigung grundlegender Rechte, der Demokratie insgesamt, daraus ableitend dem Land, seines Staates. Die offene Frage zwischen den Zeilen beschäftigt sich damit gegen wen alle Errungenschaften verteidigt werden müssen, die gewählten Anhaltspunkte vonseitens derjenigen welche die bundesdeutsche Demokratie repräsentieren scheinen ihm zu stereotyp.

Die „wehrhafte Demokratie“ müsse sich und die „Grundrechte“ ausschließlich gegen extremistische Kräfte von links und rechts verteidigen.

"Ausschließlich", ausgenommen ausdrücklich und nur gegen links und rechts, und so versteht man die Extremisierung der Mitte seit Ende der neunziger Jahre dann auch ein Stück weit besser, sprich, wie es dazu kam und weil doch nicht genügend aufgepasst. Zusammengefasst wurden die Grundsätze auf die man sich verständigt hatte im allseits bekannten Grundgesetz, das im Verlauf der Jahrzehnte als Verfassungsersatz breite Akzeptanz fand. Eine als gemeinhin von Natur aus totalitäre Institution ging so gar so weit, ihre Rekruten auf die vielfach gepriesene Verteidigung des Grundgesetz vereidigt wurden; ein Indikator mehr für die versammelte Schizophrenie bei aller Auslegung und wie sie den Übergang ins neue Jahrtausend prägte. Wippermann bezeichnet das Grundgesetz unter anderem als Magna Carta, beleuchtet ihre unterschwellige Aufgabe der Reparatur des demokratischen Prozesses nach dem Weimardisaster kaum.

In ihr sollte nach den Worten des Abgeordneten Adolf Süsterhenn (CDU) der „Gedanke der persönlichen Freiheit gegen totalitäre Staatsbestrebungen gesichert“ werden.

Besonders auffällig ist etwas simples. Bei aller deutschen Verfassungsdiskussion geht es prinzipiell nur um das Grundgesetz, die zeitweilig aktive DDR Verfassung interessiert die gesamtdeutschen Öffentlichkeitsmacher in keinster Weise. Das ist fatal, fast so fatal wie die widerrechtliche Auslegung des Grundgesetz dahingehend, es uns quasi von alleine beschützte vor denen die ein Interesse daran hatten.

Beide Theorien – die der wehrhaften Demokratie und die des Totalitarismus – wurden im Grundgesetz verankert.

Natürlich, und die im Osten sind weiter zurückgeblieben, müssen erst noch zu echten Kapitalisten erzogen werden. Und so darf man sich nicht wundern, wenn der Totalitarismus dort erkennbar verankert ist, er irgendwann wieder kommt. Siehe 2005 zum Beispiel.

Denn die „wehrhafte“ Bonner Demokratie war weniger demokratisch und noch antikommunistischer als andere westliche Demokratien.

Am Zusammenbruch des Kapitalismus ändert das trotzdem bedingt. Auf der Hand liegt den Einfluß der Amerikaner heranzuziehen, obschon das nicht der einzige Beleg dafür ist. Deutschland war im kalten Krieg sowas wie das virtuelle Schlachtfeld der sogenannten Supermächte und so sehr am Boden, daß es für die überlebenden "Nationalsozialisten" leicht war, erneut ungeschoren davon zu kommen. Zurecht wird die Inexistenz einer Definition des entscheidensten Terminus im Grundgesetz für die Staatsstruktur der Bundesrepublik Deutschland bemängelt:

was denn unter „freiheitlich-demokratischer Grundordnung“ zu verstehen ist. Doch wird der Kernbegriff unserer Verfassung nicht, jedenfalls nicht positiv definiert.

Und das nennt man den deutschen Nihilismus. Nun ist es allerdings auch alles andere als einfach zu definieren was demokratisch ist, solange das Adjektiv freiheitlich voransteht, Grundordnung ihm folgt und die jüngste Geschichte zur Zeit des Parlamentarischen Rates von allem das Gegenteil bezweckte. Die Adenauergeneration stand ohne Friedensschluß fortgesetzt zwischen den Fronten, des erkalteten Weltkriegs. Der von den Amerikanern vertretene Antikommunismus war nicht zuletzt das Thema das insbesondere den Nationalsozialisten diente.

unter Totalitarismus wurde vornehmlich der Kommunismus verstanden.

Was wie bemerkt mit der amerikanischen Besatzung zu tun hatte, aber nicht ausschließlich. Weniger mit den Deutschen. Deren Faszination für Symbolik aus Fernost kennt man seit dem Hakenkreuz spätestens. Im übrigen schliesst das Grundgesetz den Übergang in den Kommunismus keineswegs aus, legt diesbzgl alle Verantwortung in den Artikel 146. Gerade an diesem Umstand, wie ihn Wippermann darlegt, wird aller Zynismus des zweiten Weltkriegs gut erkennbar. Die totalitärste aller Zeiten bemüht sich in Form ihrer ewig selben Repräsentanten vor dem Totalitarismus zu warnen, unter Verdrehung aller Fakten und durch Falschdarstellung des Kommunismus als totalitär, nur weil er den Gerechtigkeits- ob Produktivitätsbegriff im Vergleich zur Demokratie im speziellen total fast. Weiter.

Das Kabinett Adenauer dachte gar nicht daran, Verhandlungen mit der „totalitären“ Sowjetunion und ihren „totalitären“ Satellitenstaaten aufzunehmen.

Das lag sicher mehr an den Russen, die hatten den deutschen Orient erst mal auf Vordermann zu bringen, bevor eine Wiedervereinigung unter einem konservativen Kanzler möglich wurde. Was Adenauer an Spielraum zu Verhandlungen hatte ist kaum bekannt, der hatte im Inneren genug zu tun, schwer genug nach Nürnberger Kriegsverbrechertribunalen wie sie konkret stattgefunden hatten und der Freilassung aller Verurteilten nicht allzuviel später.

Es geht nebenbei um Schulrichtlinien zur Behandlung von totalitären Perioden deutscher Geschichte. Hierfür ist der Artikel 5 von Bedeutung, weiter im Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes und seiner Konsequenzen für die deutsche Gesamtgesellschaft. Wie der deutsche Lehrkörper zu Erziehung zu Antikommunismus verdonnert wurde lohnte zu untersuchen, Herr Wippermann sieht die Sache schlicht. Definition von Regeln preussischer Gehorsamkeit von Kindesbeinen an, die in der BRDDR dieselben waren wie in der Hitlerjugend.

Zumal diese Regeln nicht von einem Organ der Exekutive oder gar der Judikative, sondern von einer nachgeordneten, in der Verfassung überhaupt nicht erwähnten Behörde verordnet werden – dem Verfassungsschutz.

In der Tat eine Ungeheuerlichkeit. Schlußplädoyer:

Das Konzept der wehrhaften Demokratie und die Totalitarismus-Theorie haben als negative Staatsideologie die Demokratie keinesfalls gefestigt, sondern geschwächt.

So kann man das ausdrücken. Das deutsche Dilemma von Überdefinition und sich im Kreis gedenken. Negation der Geschichte leistet totalitären Gesellschaften Vorschub, um das zu lernen war es 1949 wohl zu früh.

Source[s]/Quelle[n]:
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/schein-und-sein

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